Theaterpädagogik im Studiengang Kindheitspädagogik

Und dann auch noch digital? Wie soll das denn gehen?!

Im Modul „Ästhetische Bildung“ eignen sich die Studierenden kreativ und intellektuell theoretisches, praktisches und forschungsorientiertes Wissen und Handwerkszeug an. Durch die Auseinandersetzung mit Studien und Theorien zur „Cultural Literacy“ lernen sie Wirkungsweisen ästhetischer Bildung kennen und erkunden, welche pädagogisch bedeutsame Rolle ästhetische Bildung für Kinder und die Demokratisierungsprozesse in der Gesellschaft spielt. Die Entwicklung von kreativen Projekten und Ideen für die Forschung geht Hand in Hand mit der Möglichkeit, Theater, Musik oder künstlerische Gestaltung im Selbsttätigsein zu erfahren.

Die Angebote zum Bereich „Ästhetische Bildung“ für Studierende des Studiengangs Kindheitspädagogik im zweiten Semester zielen nicht auf das Erstellen eines ästhetischen Produktes ab. Vielmehr bieten die Seminare – zusätzlich zu der Vorlesung von Prof. Heike Helen Weinbach – die Möglichkeit, einen eigenen ästhetischen Forschungs- und Gestaltungsprozesses zu entwickeln.

Einblicke in die Bereiche Musik, Theater und künstlerische Gestaltung ermöglichen es Studierenden, kreative Methoden und deren Wirkungen kennenzulernen und sich selbsttätig forschend mit ihnen vertraut zu machen, um sie im späteren Beruf einsetzen zu können. Kulturelle Aktivitäten bieten Menschen jeglichen Alters fantastische Möglichkeiten, um Selbstexpression, Selbstbewusstsein, Kommunikation und kreative Potenziale zu fördern, um nur ein paar Effekte zu nennen.

Dies gilt auch für den Bereich Theaterpädagogik. Doch Theater funktioniert nicht digital, so die Meinung vieler. Theater scheint nur analog vorstellbar – auf einer Bühne in physischer Präsenz, in einem vor Ort erlebbaren Rollenspiel oder in einem echten Puppenspiel zum Anfassen.

Die Lehrbeauftragte Renate Schmitz-Gebel hat trotzdem den Versuch gewagt und einen neuen Lehrweg entwickelt, um Theaterpädagogik im Online-Format anzubieten. Die pandemische Situation ließ auch im dritten Online-Semester an der HSRW Kleve letztlich keine andere Möglichkeit zu.

Einen herzlichen Dank an alle Studierenden, die so begeistert, offen und kreativ mitgemacht und ihre Arbeiten für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt haben. Auf diesem Bild sind Fotos von allen versammelt, die dabei waren und – so die Eingangsaufgabe – als Figuren aus Büchern und Filmen verkleidet auftraten und die anderen raten ließen: Wer bin ich?

Bildnachweis: © Renate Schmitz-Gebel

Ein Theaterpädagogik-Seminar im digitalen Format bietet also durchaus Potenziale, die bisher von vielen als quasi nicht vorhanden betrachtet wurden.

Die Studierenden wurden zu neuen Fertigkeiten (wie z. B. die Verwendung von Video- und Audio-Tools) und vielfältigen Kompetenzen herausgefordert – dies galt übrigens auch für die Dozentin selbst.

Für die digitale Durchführung hat Renate Schmitz-Gebel sich in ihrem Angebot auf kleine Theater- und Präsentationsformen – wie Objekttheater, Puppentheater, Kamishibai (japanisches Papiertheater), Schattentheater und Hörspiel – für die Studierenden beschränkt. Damit konnten die Studierenden zu Hause, allein oder in Dreiergruppen, experimentieren und neue digitale Techniken erproben, was zu beflügelnden Erfolgserlebnissen führte.


Schattentheater

Wie einfach ein Schattentheater auch im Miniformat schnell und effektiv mit Kindern umsetzbar ist, zeigt dieses Beispiel. Aus Papierschnipseln ist im Handumdrehen eine spannende Kulisse für eine Geschichte entstanden. Mit den Lichtquellen muss allerdings intensiv und neugierig experimentiert werden, damit das Spiel der Schatten gelingt. Die Studierenden haben selbst erfahren, wie spielend leicht man sich als Akteur/in für diese Theaterform begeistern kann.

Hier finden Sie außerdem die Präsentation der Gruppe zum Download.

Bildnachweis: © Lina Helmrich, Kirstin Strötges und Désirée Jandt


Hörspiel

Ein Hörspiel eröffnet Raum für Bilder im eigenen Kopf. Figuren und Kulisse einer Geschichte sind nicht zu sehen, sondern entstehen allein in der Fantasie der Zuhörenden. Deshalb ist es bei der Produktion wichtig, passende Stimmen und Geräusche selbst zu erstellen. Die Studierenden haben nicht nur die Ton-Aufnahme übernommen, sondern auch den Text entwickelt – eine enorme Herausforderung in kürzester Zeit. Wieviel Spaß eine solche Herausforderung machen kann, zeigt das Video zum Entstehungsprozess.

Bildnachweis: © Julian Xaviér Sachweh, Nele Mahler, Celina Paetsch


Objekttheater

Ein Objekttheater kann jederzeit und überall stattfinden. Jeder Gegenstand – ob Stiftemäppchen, Handtuch oder Zahnpastatube – kann zum Leben erweckt und zum Sprechen gebracht werden, es braucht die Vorstellungskraft des Publikums. Objekte jeglicher Art werden im Spiel zu Subjekten, die Abenteuer erleben, Gefühle haben, Freundschaften schließen. Selbst die großen Shakespeare-Dramen wurden in der Pandemie mit Gläsern, Flaschen oder Gemüse als Table-Top-Theater auf Küchentischen gespielt. Die Studierenden haben ein Mini-Theater aus Gegenständen inszeniert, die in jedem Haushalt zu finden sind, so dass diese Theaterform sofort mit Kindern umsetzbar ist. Das Fantasiepotenzial und die Poesie, die im Alltäglichen liegen, werden mit Spielfreude freigelegt.

Bildnachweis: © Beyza Kuzucuoglu, Filiz Tutkun, Sayyara Aghalarova


Puppentheater

Stoffe, Wolle, Socken, Papier, Wackelaugen - im Handumdrehen entsteht ein Puppentheater. Schon das Herstellen der Figuren für ein Puppentheater macht nicht nur Kindern Riesenspaß. Eine Geschichte ergibt sich dann wie von selbst. Im Nu erwachen fantastische Wesen in einem unbekannten Land zum Leben, das Spiel kann beginnen.


Stimmen der Studierenden zu dem Theaterpädagogik online Seminar

Die Studierenden konnten die Erfahrung machen, dass einfache Mittel ausreichen, um Geschichten in theatrale Formen zu bringen, und möchten nun andere dazu ermuntern, diese Formen selbst auszuprobieren. Dafür haben sie Videos erstellt, in denen der Entstehungsprozess ihrer Ergebnisse zu sehen ist. Möchten Sie wissen, wie die Studierenden diesen Versuch einer digitalen Theaterwerkstatt abschließend bewerten, wie sie die konkrete Durchführungsform mit wöchentlichen Live-Meetings erlebt haben, welche Erkenntnisse sie dabei und bei den Praxisaufgaben gewonnen haben? Dann hören Sie in die folgenden O-Töne von Studierenden hinein, die sie selbst ohne professionelle technische Unterstützung aufgenommen haben:


Resümee

„Wir haben etwas geschafft, was wir vorher nicht für möglich hielten!“ So lautet das allgemeine Fazit der 15 Studierenden am Ende des Sommersemesters 2021.

Selbst sozialer Kontakt, Vertrauen, Offenheit und gemeinsame Freude konnten digital über die lebendigen Methoden entstehen, wie in den ausführlichen schriftlichen Abschlussreflexionen noch einmal betont wurde – ein Glücksfall für alle Beteiligten, der durch das engagierte, freudige Mitmachen in der Rahmung eines pädagogisch innovativen Konzeptes möglich wurde. Die wöchentlichen Online-Meetings fanden live statt. Die Studierenden waren aktiv beteiligt, indem sie u. a. Warm-up- und Cool-down-Übungen anleiteten und somit Schritt für Schritt eventuell vorhandene Scheu und Zurückhaltung überwanden. Dass emotionale Beteiligung und eine vertrauensvolle Lernatmosphäre – essenziell für produktive Lernprozesse – auch online kreiert werden können, hat diese Veranstaltung anschaulich unter Beweis gestellt.

Renate Schmitz-Gebel hat es auch online verstanden, die Studierenden mit ihrer Begeisterung anzustecken. Für sie als Lehrende war dieses Seminar ein Lehr- und Lerntheater auf schwankenden Brettern. Sie hat sich selbst als lernende Lehrende oder als lehrende Lernende in den Prozess vertieft und zeigte am Beispiel ihrer eigenen Person, dass es notwendig ist, Fehlerfreundlichkeit, Unsicherheit, Neugier und Experimentierfreude zuzulassen.